Skip to content

Bauern belästigen Habeck im Urlaub

Vielleicht wäre es an der Zeit auch einmal aus einer anarchistischen Perspektive jenen sozialen Konflikt zu beleuchten, der derzeit die Proteste der Bauern gegen in der Gesamtschau eher als marginal zu beurteilende politische Entscheidungen gegen Agrarsubventionen speist. Denn all das hat natürlich eine lange, jedoch keineswegs allzuweit zurückliegende Geschichte von den Anfängen der Industrialisierung der Landwirtschaft in Europa und Deutschland zu Beginn des letzten Jahrhunderts, über die ersten staatlichen Konzentrationsbemühungen von Landwirtschaft in größeren, nunmehr keineswegs mehr subsistenten Betrieben und damit einhergehende Enteignungen von Subsistenzbauern, Zerstörungen landwirtschaftlicher Klein- und Subsistenzhöfe, die Einziehung und Verheizung von zahlreichen Subsistenzbauern in den Krieg und die damit einhergehende Vernichtung ihrer Höfe, und vieles mehr durch den Nationalsozialismus, die Maschinisierung der Landwirtschaft und damit einhergehende Flurbereinigungsmaßnahmen, die vor allem für die heutige Situation einer monokulturellen und ohne Düngemittel und Pflanzenschutzmittel kaum mehr denkbaren Landwirtschaft verantwortlich sind, die Rolle multinationaler Chemiekonzerne darin und schließlich die EU-Agrarpolitik, die lange Jahre das aus kolonialen Beziehungen importierte Futtermittel strategisch dazu nutzte, die EU zum größten Exporteur von Milch- und Fleischprodukten zu lancieren und dabei sowohl die heimische Landwirtschaft, wie auch die in den kolonial geprägten Peripherien der Welt gründlicher als alles vorangehende zugrunderichtete. Und was sehen wir überhaupt heute, wo einmal mehr gigantische Transformationsprozesse in der Landwirtschaft (von BIO-Landwirtschaft über Gewächshaus-Landwirtschaft und vor allem digitalisierter Landwirtschaft) anzustehen scheinen, die sich wie alles zuvor gegen die Existenz der Bauern richtet? Ganz gewiss mangelt es an einer anarchistischen Analyse dieser Entwicklungen und mehr noch an einer Analyse dieses sozialen Konfliktes, der von linken Bessermenschen gerne als Sache der Privilegierten und Wohlhabenden und manchmal gar als inhärent faschistisch (wobei ironischerweise die Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten angeführt wird, ohne dabei die eigentliche Agrarpolitik der Nazis zu bemerken oder gar zu kennen) abgewiesen und sogar als reaktionär verstanden wird. In dem Wissen, dass eine solche Analyse aussteht, dass gewisse Traditionen, mit denen wir ab und an sympathisieren, etwa jene der Tierbefreiung oder bestimmte Interventionen gegen die Zerstörung der Erde manchmal vielleicht nicht gewissenhaft genug bestimmen, gegen wen sich ihre Aktionen richten und an dieser Stelle oft auch kaum bis gar kein Widerspruch von anarchistischer Seite kommt, und in dem Wissen, dass selbstverständlich der Begriff Bauer (und sieht man sich etwa den sogenannten Bauernverband einmal genauer an und erkennt darin, wie übrigens viele Bauern eher einen Lobbyverband der Agroindustrie) heute eine Verklammerung von wenigstens aus einer Subsistenztradition stammenden Bauern bis hin zu Agrarunternehmern mit Ländereien in Größen von Grafschaften meint und eben jene Verklammerung dazu führt, dass die Bauern trotz ihrer oft rabiaten Proteste immer wieder politisch eingefangen und regelrecht verarscht werden, wollen wir hier doch wenigstens das ein oder andere Zeugnis des sozialen Konflikts der Bauern dokumentieren, bei dem wir große Sympathie empfinden. Mit großer Sympathie haben wir bereits beobachtet, wie allernorts Eimer- und teils sogar Wagenladungsweise Mist vor die Parteibüros von regierenden Parteien gekippt wurde. Jetzt haben Bauern sich die Freiheit genommen den grünen Wirtschaftsminister Habeck im Urlaub aufzuspüren und versucht ihn zur Rede zu stellen, jenen Habeck, der die Politik gegen die Bauern in der aktuellen Regierungsperiode der BRD vor allem vorantreibt. Der Feigling hat sich lieber hinter der Polizei versteckt und ratet einmal, wer sich sogleich von all dem distanziert hat: Natürlich, der Bauernverband. Aber lest selbst:

via Tagesschau

Wirtschaftsminister Habeck ist im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel von Bauern daran gehindert worden, eine Fähre zu verlassen. Er musste daraufhin auf die Hallig Hooge zurückkehren. Der Protest rief parteiübergreifend scharfe Kritik hervor.

Wütende Bauern haben Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre gehindert. Sie blockierten den Anleger, wie ein Polizeisprecher sagte. Habeck, der auch Wirtschaftsminister ist, habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen. Dabei hätten 25 bis 30 Menschen versucht, die Fähre am Ablegen zu hindern.

Nach Angaben der Polizei handelte es sich insgesamt um mehr als hundert Demonstranten. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen. Sie hätten auch Pfefferspray eingesetzt, sagte ein Polizeisprecher. Ob es Verletzte gegeben hat, ist nicht bekannt.

Ministerium: Sicherheitslage ließ Gespräch nicht zu

Eine Sprecherin Habecks sagte am Abend, der Minister sei gerne bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. „Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen.“

Laut Polizei beruhigte sich die Lage schnell, als die Fähre abgelegt hatte. Anzeigen lagen am Abend nicht vor. „Landfriedensbruch steht schon im Raum“, sagte ein Polizeisprecher auf die Frage, ob trotzdem ermittelt werde.

Bundesregierung: Blockade „beschämend“

Die Bundesregierung bezeichnete die Protestaktion als beschämend. „Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf der Plattform X. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen Schlüttsiel „ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders“, hieß es.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf X: „Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.“ Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) meldete sich auf X zu Wort: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“

„Eine radikale Minderheit, die anderes im Schilde führt“

Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte im ARD-Morgenmagazin, er habe großes Verständnis dafür „wenn unsere Landwirtinnen und Landwirte ihre Position einbringen“. Die Bundesregierung habe ja auch zugehört und ihre Position korrigiert. Aber bei dem Vorfall in Schlüttsiel gehe es nicht um Landwirtschaft. „Das sind Leute, (…) die haben feuchte Träume von Umstürzen – und das wird es nicht geben. Um es sehr klar zu sagen: Das ist nicht akzeptabel.“ Özdemir betonte, in Schlüttsiel seien „nicht die deutschen Bauern“ aufgetreten, sondern eine kleine, radikale Minderheit, die anderes im Schilde führe. „Ich kann alle nur auffordern und bitten, sich davon deutlich zu distanzieren.“

Der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärte auf X, es werde hier eine Grenze überschritten. „Wer die Ampel inhaltlich laut kritisiert, darf jetzt nicht schweigen. Das geht so nicht!“

Bauernverband hält Maßnahmen für unzureichend

Die Bauern sind seit Wochen empört wegen dem von der Ampel-Koalition geplanten Abbau von Subventionen. Am Donnerstag reagierte die Bundesregierung dann auf die massiven Bauernproteste: Die Koalition will auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten.

Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden, wie der Sprecher der Bundesregierung in Berlin mitteilte. Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen aber für unzureichend – und hält an einer ab Montag geplanten Aktionswoche fest.